Sophia Barbist - Mein Leben als junge Krankenpflegerin
Sophia Barbist - Mein Leben als junge Krankenpflegerin
„Angenommen, du müsstest alleine darüber entscheiden, wer wichtiger ist: die hilflose demente alte Frau, die in ihrer Verwirrtheit gestürzt ist, der junge Mann, der sich nach seiner OP vor Schmerzen krümmt, oder die Frau, die gerade eine Fehlgeburt auf der Toilette erleidet. Für wen entscheidest du dich? Und wie begegnest du dann jenen, aus deren Sicht du die falsche Entscheidung getroffen hast, weil sie die Hintergründe nicht kennen? Ich will dir die Hintergründe erzählen, warum du auf deine OP monatelang warten musst, warum deine Mutter schlecht versorgt worden ist, ich will dich hautnah miterleben lassen, wie schwierig es ist, in einem kranken Gesundheitssystem noch professionell zu agieren, wenn immer mehr helfende Hände fehlen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, 100 Jahre alte Hände zu halten und den Lebensgeschichten dieser Menschen zu lauschen. Ich kenne das Gefühl, wenn diese Menschen uns für immer verlassen. Ich weiß aber auch, wie wunderbar und einzigartig schön es sich anfühlt, dabei zu sein, wenn sich ein neues Leben mit dem allerersten Schrei auf der Welt bemerkbar macht. Ich kenne das Gefühl, wenn das eigene Privatleben völlig aus den Bahnen gerät und man dennoch für wildfremde Menschen alles gibt, so wie ich es für dich genauso tun würde, ohne dich zu kennen. Ich will dir erklären, warum heute kaum einer mehr den Beruf erlernen will, obwohl es doch kaum einen schöneren gibt.“